SPEICHER

Text: Ensemble / Inszenierung: Anne Hirth / Ausstattung: Silvia Albarella
LOT Theater Braunschweig, Weinsziehr LitteraNova, Theaterhaus Hildesheim 2014
mit: Florian Brandhorst, Oliver Dressel, Arnd Heuwinkel, Luzia Schelling

Sie schwirrt durchs Web, sie schwebt auf Clouds, sie flackert milliardenfach durch die sozialen Netzwerke: Digitalisierte Erfahrungsmasse – ausgelagert, aber jederzeit verlustfrei verfügbar. Unsere mentalen Erinnerungen sind demgegenüber sprung- und lückenhaft, fragmentarisch, subjektiv und ständig in Bewegung. Bei jedem Abrufen werden sie neu angeordnet, bewertet und dann von Neuem ins Gedächtnis eingeschrieben: ein Prozess, der zeitlebens in Gang bleibt und unsere Identität ausprägt.
Immer öfter helfen digitale Speichermöglichkeiten dem Gedächtnis auf die Sprünge – und besetzen zunehmend Lebensbereiche, für die bisher das Erinnerungsvermögen zuständig war. Schon 1997 hat sich der Computeringenieur Gordon Bell mit dem epochalen Microsoft-Rechercheprojekt „MyLifeBits“ zum Ziel gesetzt, sein Leben so umfassend wie möglich zu digitalisieren und damit der Vergänglichkeit ein Schnippchen zu schlagen: Programme archivieren seine Webaktivitäten, Telefonate und Vorträge, die gehörte Musik, das gesehene Fernsehprogramm, und eine Kamera fotografiert automatisch die Begegnungen mit seiner Umwelt. Aber auch jenseits wissenschaftlicher Experimente verändern digital vordokumentierte Abenteuerreisen oder digitale Grabsteine bereits heute die Aufgabenbereiche für unser althergebrachtes Gedächtnis. Bevor wir irgendwann Speichern mit Erinnern verwechseln, taucht Theater Aspik noch einmal ein in die Welt der analogen Erinnerung: In das Verschwommene, Hybride, Sprunghafte, nur bruchstückhaft Glasklare, ins wild Phantasierende, Unzuverlässige. In die Welt der Neuinterpretationen und der leeren Seiten.